Das Lügengladiator Manuskript

Zuerst möchte ich meine Situation erklären: Ich bin ein Lügenglatiator im fernen Kontinent Zamonien. Um zu erklären was ein Lügengladiator ist, möchte ich dem Leser einen kleinen Auszug aus dem „Lexikon der erklärungsbedürftigen Wunder, Daseinsformen und Phänomene Zamoniens und Umgebung“ zitieren:
Lügengladiatoren, zamonische, die: Populäre Idole mit der Fähigkeit, auf publikumswirksame Weise zu lügen. Die Gladiatoren treten auf professioneller und regelmässiger Basis im Atlantischen Megatheater in sogenannten Lügenduellen gegeneinander an, wobei im gegenseitigen Austausch von erdachten Geschichten um die Krone des Lügenkönigs gerungen wird. Die Lügengladiatoren von Atlantis gehören zur Zunft der autonomen Alleinunterhalter und vereinigen in sich die Fähigkeit eines Komikers, Theaterschauspielers, Trickbetrügers, Samurai, Schwergewichtsboxers, Schachgrossmeisters und natürlich römischen eines Gladiatoren.


Auch Lügengladiatoren brauchen Manuskripte und gute Ideen. Ich möchte an dieser Stelle eines meiner Manuskripte veröffentlichen:

Ratsch und weg!
Ich war einst auf einem Seminar im Hutzengebirge zu einer Drehwurzellzählung als Gastdozent eingeladen worden. Das war an und für sich ja nichts Schlimmes und hat auch noch nicht so furchtbar viel mit der Überschrift zu tun, aber so ein Dozentenleben kann ganz schön anstrengend sein. Genau das dachte ich, als ich mit dem fünffachen meines eigenen Körpergewichtes bepackt (hauptsächlich Knabberkram für die Vorlesung) in 2834 Metern über dem Meeresspiel auf einer hohen Felsnadel auf dem höchsten aller Hutzenberge krampfhaft versuchte nicht abzustürzen. Die Tagung fand nämlich in einer Berghutzenhöhle, nahe dem Gipfel des Hcsiek-Berges, dem höchsten Berg im Hutzengebirge statt. Und bis oben hin war es noch ein verdammt langer Weg. Da entdecke ich einen Felsvorsprung, auf den ich dann auch mehr oder weniger behände zukletterte und mich zu einer kleinen Verschnaufpause setzte. Ich holte meine Keksdose heraus, aus meinem Rucksack und betrachtete die Landschaft. Es war eine einzigartige Aussicht. Auf der einen Seite konnte ich das Meer sehen, und in entgegen gesetzter Richtung, ganz in der Ferne, wo der Himmel und die Ferne begann, lag die süße Wüste. Doch da sah ich in den Augenwinkeln etwas rotes durchs Bild huschen. Ich drehte meinen Kopf ruckartig, doch ich sah nur, wie ein paar kleine Steinchen vom Abhang kullerten. Doch ich war mir sicher etwas gesehen zu haben. Etwas rotes, haariges! Wir alle haben natürlich schon von der roten Pantomimenhutze gehört, die angeblich im Hutzengebirge leben soll, und dort hilflose Wanderer mit ihrem langweiligen Pantomimenspiel in den Tod durch Langeweile getrieben haben soll.
Berghutze, die: Beheimatet im südzamonischen Hutzengebirge, darf die gemeine Berghutze allgemein den sogenannten arglosen Gebirgsdämonen zugerechnet werden, wie auch der Klammtroll und die Gletschermume, also Gebirgsbewohner ohne schlechte Absichten, im Gegensatz zu Stollentrollen oder Lawinenhexen. Eigentlich harmlos im Umgang, ist die Berghutze durch ihr abschreckendes Äußeres zu relativer Einsamkeit verdammt. Dabei ist ihre wahre Häßlichkeit noch nicht einmal sichtbar. Durch eine Gnade des Schicksals sind Berghutzen mit dichtem verfilztem Haar bewachsen, so daß man ihre tatsächliche körperliche Beschaffenheit nur ahnen kann. Den Anblick einer komplett rasierten Berghutze könnte niemand ertragen. Sie vegetiert gewöhnlich auf den höchsten Gipfeln des Hutzengebirges, kann klettern wie eine Gemse mit Affenarmen und, wie es der Volksmund überliefert, sogar auf Wolken wandeln, was aber getrost als unwissenschaftliche Spekulation ins Reich der Legenden verwiesen werden darf.
Grundsätzlich sind Berghutzen zutraulich und anschmiegsam, aber ihre Gefühle werden selten erwidert, was mit der Zeit zu ihrem Aussterben führte. Berghutzen haben die Angewohnheit, sich von oben herab auf die Rucksäcke von Bergsteigern niederfallen zu lassen und dort in ein markerschütterndes Gekreisch zu verfallen – so drücken sie in freier Wildbahn ihre Zuneigung aus. Dieses Verhalten ist der Grund für die Tatsache, daß alle Bergsteiger, die jemals einer Berghutze begegneten, danach niemals wieder einen Berg bestiegen haben und Tiefseetaucher oder Grubenkontrolleure geworden sind.

Aber das sind Gruselgeschichten die Eltern ihren Kindern erzählen, damit sie später Lehrer für Wirtschaftslehre und Mathematik werden. Das dachte ich zumindest. Da ich nun einmal einen entschlossenen Forschergeist in mir trage, (wo der herkommt weiß der Teufel – und darum geht es in dieser Geschichte auch nicht) folgte ich dem vermeintlichen roten Ding. Ich blickte um die nächste Ecke und sah genau in die gähnendste, schwärzeste, dunkelste, schwärzeste und – ich will nicht übertreiben – schwärzeste Schwärze, die ich je gesehen hatte. In die Schwärze einer unerforschten Höhle. Ich trat also in meinem jugendlichen Eifer in diese vor Schwärze triefende Finsternis, mit nichts mehr als meinem Forschergeist und meiner Keksdose. Das war ein Fehler, denn schon bald konnte ich nichts mehr sehen. Doch ich hörte etwas. Es hörte sich an wie – Schritte. Um nicht zu sagen, es waren Schritte. Hutzenschritte! Da Berghutzen sich grundsätzlich dadurch auszeichnen, dass sie bei Kontakt mit einem Wanderer sofort zu kreischen anfangen, reimte ich mir zusammen, dass ich mich geirrt haben musste. Es konnte keine Hutze sein, denn ich hörte kein Gekreisch. Vorsichtig tastete ich mich weiter. Jeder Schritt konnte mein letzter sein. Und dann passierte es. Ich stürzte! Einfach so “Ratsch und weg!” Was war passiert? Fiel ich die vielen tausende von Metern den Berg hinab, in eine Spalte, in eine Grube, oder aus einem verborgenen Fenster?! Nein, ich war nur über eine Stufe in der Finsternis gestolpert und der Länge nach hingeschlagen. Aber anstatt mit dem Kopf obligatorisch an einen Felsen zu schlagen, der mir eine gnädige Ohnmacht nach dem peinlichen Sturz beschert hätte, wie es allen anderen Stürzenden für gewöhnlich passiert, landete ich mit meinem Kopf in einer …Masse. Es fühlte sich klebrig an, und es roch nach…Haferbrei. Mit Marschmellows und Algenstückchen drin. Da hörte ich plötzlich eine Stimme, wie ich da so fasziniert mit dem Kopf am Boden in einer breiartigen Masse lag. “He du, blöder Sack, was fällt dir ein, einfach so in mich reinzufallen, he? Erst dieser blöde Walfisch, der mich fast verschluckt hätte, dann diese rote Hutze mit dem Gefuchtel und dann DU, der in mich rein fällt! Un-ver-schämt-heit!” Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Es war eine fiepsige, dünne, fast schon zarte Stimme, doch sie war stinksauer, DAS kann ich euch flüstern! “Ähm…ja…also…Entschuldigung!” stammelte ich, und verschluckte dabei aus Versehen einen Teil der Masse, die sich geschmacklich wirklich als Haferbrei mit Stückchen drin entpuppte. “Sie FLEGEL”, schrie der Brei. “Erst in mich eindringen und nun mich auch noch vernaschen! Frechheit” Da wackeln mir ja die Rosinen! Ich werde mich beschweren – wenn ich hier rausgefunden habe….” Ich staunte nicht schlecht. “Entschuldigen Sie bitte” wiederholte ich, “aber ich suche auch nur den Ausgang”. Da hörte ich Schritte. Nicht solche haarigen wie eben, sondern solche, die sich anhören, als ob man grade in einen riesen Haufen Kot gelatscht wäre, und damit jetzt unter dem Fuß weiterlaufen muss, weil es nirgends Gras gibt. “Halt still. Ich will mir nicht die Füße schmutzig machen” hörte ich den Brei sagen. Dann fühle ich mich, wie er in mein linkes Hosenbein kroch und sich langsam an meiner Haut bis zum Hals hochsaugte. Ich fühlte mich, als hätte ich mich am gesamten Körper mit Erdnussbutter eingerieben. Dann ‘setzte’ sich der Brei auf meine Schulter und brüllte: “Vorwärts!” Ich ging also vorwärts. Und der Brei lenkte mich, wie einen Ochsenkarren. Denn Haferbreie können im Dunkeln sehen, Niemand weiß warum – aber Niemand ist heute Abend nicht hier. Es lenkte mich also zum Ausgang der Höhle. Wir konnten schon das Tageslicht sehen, als sich plötzlich etwas rotes, haariges uns in den Weg stellte. Die rote Hutze! Sie hatte ihr Gesicht, dass, so hoffte ich, nicht rasiert war, unter einer weißen Maske versteckt. Und sie machte total langweilige Pantomimen. Wir sahen uns an, dann die Hutze. Unsere Peinigerin, die uns in ihre Höhle gelockt hatte, um uns zu Tode zu langweilen! Da tat der Haferbrei etwas, was über alle physischen Fähigkeiten eines Marschmellow-Algen-Breis hinausging. Es sprang! Es sprang nicht nur auf und ab, nein, es sprang der Hutze an die Kehle. Der Schuldigen, die für alles verantwortlich war. Es entwickelte sich zu einem Kampf um Leben und Tod. Doch da… die Hutze trat einen Schritt zurück…an die Kannte, der Fels bröckelte – und beide fielen viele Tausend Meter in die Tiefe. “Ratsch und Weg.”

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